Handelskammer Bozen
Wirtschaft = Zukunft
Alfredo De Massis

Über Generationen hinweg wachsen

Fähigkeit und Bereitschaft

Familienunternehmen der ersten Generation haben im Vergleich zu Familienunternehmen der zweiten Generation sowohl eine höhere Kapazität (Handlungsfähigkeit) als auch eine höhere Bereitschaft (Handlungsbereitschaft) zu wachsen, da sie ein größeres Bedürfnis haben, eine starke Position auf dem Markt aufzubauen und ihren Marktanteil zu vergrößern. Familienunternehmen der ersten Generation zeichnen sich durch ihr Wachstum aus, nicht nur aufgrund der Notwendigkeit, das Unternehmen weiterzuentwickeln und gleichzeitig die Kontrolle durch die Familie beizubehalten, sondern auch aufgrund der Präsenz des Gründers im Unternehmen. Die Gründer entwerfen eine Unternehmensvision, inspirieren die Mitarbeiter und entwickeln Produkte und Dienstleistungen, die auf dieser Vision basieren. Außerdem leiten sie das Unternehmen selbst und übernehmen alle Aufgaben, die für das Wachstum des Unternehmens wichtig sind. Sie sind Unternehmer mit dem erforderlichen Maß an Wachsamkeit, haben Führungsqualitäten, einen starken Willen und ein tiefes Verständnis für das Kerngeschäft, um weitere Geschäftsmöglichkeiten zu ermitteln.

Paradoxerweise sind die Familienunternehmen der zweiten Generation zwar leistungsfähig, aber weniger wachstumsfreudig. Denn die zweiten Generationen (aber auch die nachfolgenden) können es sich leisten, finanzielle Erträge aus dem Kerngeschäft zu erwirtschaften, ohne auf Wachstum drängen zu müssen. Mehrere Studien zeigen, dass sich die Übertragung eines Familienunternehmens auf die nächste Generation negativ auf die finanzielle Leistungsfähigkeit und den Wert des Unternehmens auswirken kann, was wiederum die Wachstumsmöglichkeiten des Unternehmens einschränkt (z. B. aufgrund einer geringeren Verfügbarkeit von internen Finanzmitteln oder einer geringeren Fähigkeit, externe Finanzmittel zu beschaffen). Dieses Problem ist für ein Familienunternehmen besonders nachteilig und besteht in der Regel über einen längeren Zeitraum, da die Nachkommen normalerweise ein hohes Maß an Kontrolle über das Unternehmen ausüben, was es ihnen ermöglicht, ihre Positionen und Rollen im Unternehmen ungeachtet ihrer Fähigkeiten beizubehalten. Darüber hinaus sind die Nachfolge-Generationen häufig mit gesonderten Entscheidungsprozessen verbunden, da ihnen die für die Unternehmensführung erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen fehlen. Wie können wir also eine größere Kapazität und Bereitschaft zum Wachstum in Familienunternehmen der zweiten oder nachfolgenden Generation sicherstellen?

Um dieses Dilemma zu lösen, muss erstens sichergestellt werden, dass die Nachkommen die erforderliche Ausbildung außerhalb des Familienunternehmens erhalten. Dies sollte ein gut geplanter, mehrjähriger Prozess sein, der es ihnen ermöglicht, eine angemessene Ausbildung zu erhalten und die erforderlichen beruflichen Fähigkeiten und Kompetenzen durch direkte Arbeit in der Praxis zu entwickeln. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Nachkommen nicht automatisch aufgrund ihrer Blutsverwandtschaft mit hochrangigen Führungsaufgaben im Unternehmen betraut werden, sondern dass ihre Ernennung auf der Grundlage ihrer Verdienste erfolgt. Das Einstellungsverfahren sollte transparent und wettbewerbsorientiert sein, und gegebenenfalls sollten die Nachkommen in verschiedenen Funktionsbereichen des Familienunternehmens gearbeitet haben, bevor sie das Ruder übernehmen, um einen umfassenden Einblick in das Unternehmen zu erhalten. Mit anderen Worten: Familienunternehmen müssen sicherstellen, dass die nächste Generation über mehr Fähigkeiten und Fachwissen verfügt als ein professioneller Manager, der für dieselbe Aufgabe eingestellt werden könnte (d.h. nicht aus der Familie, die das Unternehmen kontrolliert). Ist dies nicht der Fall, sollte die Ernennung von familienfremden Managern bevorzugt werden, um ein überdurchschnittliches Wachstum des Familienunternehmens im Laufe der Zeit zu ermöglichen. Mehrere Studien, die am Zentrum für Familienunternehmensmanagement der Freien Universität Bozen durchgeführt wurden, zeigen, dass ein familienfremder CEO an der Spitze eines Mehrgenerationen-Familienunternehmens oft zu einer höheren Wachstumsrate und zu höheren finanziellen Erträgen führt als Familienunternehmen, die von einem Familienmitglied geführt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Sicherstellung des Wachstums des Familienunternehmens über Generationen hinweg als große Chance gesehen werden sollte, überdurchschnittliche finanzielle Erträge für das Unternehmen und einen Mehrwert für die Gesellschaft zu erzielen. Es ist jedoch wichtig, ein professionelles und leistungsorientiertes Arbeitsumfeld für die Nachkommen zu schaffen: Nachkommen sollten für hochrangige Führungspositionen innerhalb eines Familienunternehmens ausschließlich aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen nominiert werden, ohne dabei natürlich ihre Motivation und ihr Engagement für das Unternehmen zu vernachlässigen.

Autoren

Alfredo De Massis und Ivan Miroshnychenko, Freie Universität Bozen, Centre for Family Business Management

Dieser Fachbeitrag ist im Zuge einer Zusammenarbeit zwischen der Freien Universität Bozen – Centre for Family Business Management und der Handelskammer Bozen entstanden.

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