Chamber of Commerce of Bolzano

Auf dem Weg zur betrieblichen CO2-Neutralität

Um die CO2-Emissionen im Betrieb reduzieren zu können, muss ein Strategieplan erstellt werden

2015 verpflichteten sich im berühmten Übereinkommen von Paris rund 200 Regierungen der Welt, den gefährlichen Klimaänderungen vorzubeugen. Vereinbart wurde, innerhalb von 2050 den globalen Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen und somit nicht den Schwellenwert zu überschreiten, der noch als akzeptabel gilt.

Laut aktuellem Verlauf der vom Menschen verursachten Kohlenstoffemissionen wird die globale Durchschnittstemperatur jedoch in diesem Jahrhundert noch um 2,2°C bis 4,4°C steigen.

Vor diesem Hintergrund ist am 29. Juli 2021 das sog. europäische Klimagesetz in Kraft getreten (Verordnung (EU) 2021/1119 vom 30. Juni 2021). Dieses sieht als verbindliches Ziel die Klimaneutralität der EU innerhalb 2050 vor. Dazu verfolgt die EU eine Dekarbonisierungsagenda, mit der sie den europäischen Partnern und Unternehmen gegenüber ein starkes Zeichen setzt.

Der Dekarbonisierungsprozess besteht in der progressiven Reduzierung der Emission von klimaverändernden Gasen bis auf Netto-Null: Die Differenz zwischen den Restemissionen und den dauerhaft abgeschafften Emissionen muss Null sein (NET-ZERO). Die Reduzierung der klimaverändernden Gasemissionen muss durch eine nationale und internationale öffentliche Politik, aber vor allem durch Strategien und Maßnahmen auf Betriebsebene angestrebt werden.

Der Weg zur Dekarbonisierung ist mit einer fallenden Kurve vergleichbar, die den „Reduzierungsprozess“ eines Betriebes definiert. Dieser umfasst die direkt überwachten Emissionsquellen und bezieht dann die gesamte Wertschöpfungskette durch einen koordinierten Plan für den Einsatz der Stakeholder mit ein.

Der bewährte Ansatz der ständigen Verbesserung der Betriebsführung kann auch heute noch der wichtigste Bezugspunkt für den Prozess der Dekarbonisierung sein, der auf folgenden Aktionen fußt:

  • Plan: Messung der CO2-Bilanz der Organisation und Planung der Reduzierung derselben in einem bestimmten Zeitraum, wobei für jede Emissionsquelle die Prioritäten der Reduzierung festzulegen sind;
  • Do: Implementierung der geplanten Maßnahmen zur Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen;
  • Check: Überprüfung der Einhaltung der gesteckten Reduzierungsziele durch Monitoring der kurzfristigen Zwischenziele und der gezeichneten Roadmap;
  • Act: Beibehaltung der Ziele, die an den Betriebsalltag anzupassen sind, vor allem in Hinblick auf mögliche Veränderungen im Betriebsumfeld.

Plan Do Check Act

Für diesen strategischen Prozess ist es zunächst unerlässlich, anfangs die direkten und indirekten Emissionen genau zu messen (Scope 1, Scope 2 und Scope 3), welche zur globalen CO2-Bilanz des Unternehmens beitragen. Dazu werden internationale Standards herangezogen, wie das GHG-Protokoll oder ISO 14064, im Sinne einer Umweltbilanz, welche das gesamte Supply-Chain-Management sowie die Phasen der Verwendung und Entsorgung der gelieferten Produkte und Dienste umfasst. Nur ein wissenschaftlicher Ansatz kann nämlich Greenwashing-Phänomenen vorbeugen und den Betrieb vor Rufschäden angemessen schützen.

Net-Zero-Strategie

Für die Anwendung einer Net-Zero-Strategie kommen verschiedene Instrumente in Frage:

  • Permanent carbon removal offsetting
  • Carbon insetting
  • 1,5 degree pledge SBTI

Die Betriebe können im Zuge des NET-ZERO-Prozesses das Instrument der CO2-Neutralität verwenden, um jedes Jahr die allmählich sinkenden Restemissionen einzuschränken.

Das Instrument des Carbon Offsetting sieht die Reduzierung von klimaverändernden Emissionen durch Ausgleich mittels Kauf von Guthaben vor, die durch geeignete Zertifizierungssysteme abgesichert sind. De facto ist ein „Kohlenstoffguthaben“ eine finanzielle Maßeinheit, die auf einem eigenen Markt gehandelt wird und an die Emission einer Tonne CO2 gekoppelt ist, die entweder durch ein Projekt verhindert, reduziert oder sequestriert wurde und zur Kompensation anderer Emissionen erworben werden kann. Zertifizierte Kohlenstoffguthaben sind: VER (VerifiedEmissionReduction), CER (Certified EmissionReduction) und VCU (Verified Carbon Unit).

Zurzeit sind zwei Systeme vorgesehen:

  • „Compliance“, das mit dem Kyoto-Protokoll begann (EU Emission Trading Scheme), besteht im Handel von Kohlenstoffguthaben, um die jährlichen Obergrenzen für nicht abschaffbare Emissionen einzuhalten;
  • „Voluntary“ besteht im Handel von Kohlenstoffguthaben, die aus Projekten mit positiver Auswirkung auf die Umwelt stammen, um die Auswirkung der eigenen Tätigkeit zu kompensieren; solche Guthaben werden zuvor im Rahmen von zertifizierten Programmen geprüft (z.B. Verified Carbon Standard, Gold Standard, Climate Action Reserve).

Das jüngste Instrument Carbon Insetting (Kohlenstoffkompensation) ist auf die Bewertung, Reduzierung und Kompensation der Klima- und Umweltbilanz eines Betriebs fokussiert. Dabei werden sozio-ökologische Projekte ausgearbeitet, die sich auf die Wertschöpfungskette des Betriebes auswirken und zur Schaffung einer nachhaltigen Gesellschaft eingesetzt werden. In diesem Fall wird die Möglichkeit des Ankaufs von Kohlenstoffguthaben zur Kompensation der Emissionen der eigenen Lieferanten/Vertreiber/Partner (Carbon Offsetting) durch spezifische Projekte zur Einschränkung oder Sequestrierung unterstützt. Diese Projekte werden in Zusammenarbeit mit den Partnern der Wertschöpfungskette oder der lokalen Gemeinschaft umgesetzt.

Schließlich bietet sich als Hilfsinstrument für private Sektoren, die etwas für das Klima unternehmen möchten, noch die Science Based Targets Initiative (SBTI) an, die eine Partnerschaft zwischen CDP (ehem. Carbon Disclosure Project), dem Global Compact der Vereinten Nationen, dem World Resources Institute (WRI) und dem World Wide Fund for Nature (WWF) ist und mit wissenschaftlich fundierten Zielen arbeitet. Ein Science Based Target ist ein „auf einer wissenschaftlichen Grundlage“ berechnetes Reduktionsziel für Treibhausgasemissionen im Einklang mit dem Dekarbonisierungsgrad, der für die Begrenzung des globalen Temperaturanstieges unter 1.5°C in Bezug auf die vorindustriellen Temperaturen (“1.5°C-Ziel”) erforderlich ist.

Wissenschaftlich basierte Ziele helfen den Unternehmen dabei zu definieren, wie sehr und in welchem Tempo die Treibhausgasemissionen reduziert werden müssen, um dem Ziel der Begrenzung der Erwärmung um 1,5°C gerecht zu werden. Dabei kann ein Unternehmen zahlreiche Gründe haben, um auf Science Based Targets zurückzugreifen, etwa:

  • Die Festlegung von herausfordernden Zielen regt zur Anwendung von innovativen Technologien und Prozessen an und versetzt das Unternehmen somit in eine führende Rolle;
  • Ehrgeizige Ziele stärken das Vertrauen von Investoren, Kunden, Arbeitnehmern und Umweltorganisationen;
  • Ein strategisches Management der Klimarisiken ist gegenüber der Konkurrenz vorteilhaft und kann sich positiv auf die Bilanz auswirken;
  • Die Entwicklung und Validierung eines Science Based Target ist eine Leadership-Aktion, die vom Scoring-System des CDP anerkannt wird;
  • Die Unternehmen nehmen zukünftige Vorschriften vorweg und eine Vorreiterrolle in der Entwicklungsphase neuer Gesetzgebungen ein.

Um dem 1.5°C-Ziel mehr Gewicht zu verleihen, hat die SBTI in den letzten 2 Jahren die Richtlinien in einen regelrechten Standard – den NET-ZERO-Standard – umgewandelt.

Autor

Matteo Donelli, Berater und Mitarbeiter der Ergo S.r.l. (Spin-off der Hochschule Sant’Anna in Pisa) und der Università Bocconi in Mailand

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