Handelskammer Bozen
Wirtschaft = Zukunft
Nachhaltigkeit, ESG und Wertschöpfung

Nachhaltigkeit, ESG und Wertschöpfung

Das neue Paradigma für lokale Unternehmen

Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte und ist mittlerweile eine Priorität für die Unternehmer. Angetrieben werden sie durch die Forderungen der Verbraucher, der Institutionen und dem Bewusstsein für Ihre soziale Rolle in Gebieten, wo sie agieren. Kurz gesagt, bedeutet Nachhaltigkeit, „Ausgewogenheit in der Unternehmensführung, um eine erfolgreiche Zukunft des Unternehmens zu gewährleisten, wobei die Auswirkungen des Unternehmens und des Ökosystems, zu dem es gehört, bekannt sind und optimiert werden“. Eine Entwicklung, die die Grundsätze der Nachhaltigkeit miteinbezieht, ist für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen unerlässlich. Dies gilt umso mehr für eine Region, wie die Provinz Bozen, die ihre Positionierung in der kollektiven Vorstellung zu einem großen Teil auf die Schönheit ihres Naturerbes und die Qualität der Lebensmittel ihres Landes stützt. Beim Begriff Nachhaltigkeit geht es jedoch nicht nur um die Umwelt, sondern auch um das Wohlergehen der Menschen und Gemeinschaften, mit denen das Unternehmen zusammenarbeitet, sowie um die Qualität der Geschäftspraktiken und -prozesse in der gesamten Wertschöpfungskette.

Die von den Unternehmen zu ergreifenden Strategien und Maßnahmen im Bereich der „Dekarbonisierung der Energieversorgung im Unternehmen“
Es gibt keine einheitliche Antwort für alle Unternehmen. Es gibt jedoch ein Verfahren zur Dekarbonisierung, das für jeden Betrieb geeignet ist: Es geht darum, die Treibhausgasemissionen (ghg – Greenhouse gas) entlang der Wertschöpfungskette des Unternehmens zu verstehen, die direkt und indirekt vom Unternehmen verursachten Emissionen zu ermitteln, bei denen Handlungsspielraum besteht (Scope 1 und 2), sowie die vor- und nachgelagerten Emissionen zu ermitteln, die von den Zulieferern, den Produkteigenschaften und den Nutzern des Produktes abhängen (Scope 3) und für deren Verringerung es notwendig ist, in die Einkaufspolitik und die Produkteigenschaften einzugreifen. Es ist unerlässlich, die Schwachstellen zu identifizieren, um in der Lage zu sein, Entscheidungen im Bereich Kosten-/Chancenmanagement zu treffen, die den Zielen angemessen sind.

Dr. Bersani, was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile für Unternehmen, wenn sie Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen umsetzen? 
Jedes Unternehmen sollte in seinem eigenen Sektor, auf seinem eigenen Markt und mit seinen eigenen Merkmalen gesehen werden. Es kann jedoch argumentiert werden, dass die Steigerung der Nachhaltigkeit einer Organisation und ihrer Geschäftspraktiken es ihr ermöglicht, Kunden/Nutzer (insbesondere junge Menschen) anzuziehen, die finanziellen Kosten zu senken, Zugang zu öffentlichen Mitteln zu erhalten, attraktiver für potenzielle Investoren zu sein, Risiken in der Lieferkette zu verringern und letztendlich den Ruf zu schützen und zu verbessern. Je mehr ein Unternehmen mit einer Marke identifiziert und in einem Gebiet anerkannt wird, desto höher sind die Reputationsrisiken.

Welche Initiativen können Firmen ergreifen, um die Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen zu fördern?
Es gibt keinen Katalog mit Initiativen, der für alle gültig ist. Da es hier um die Art und Weise der Unternehmensführung und nicht um gemeinnützige Initiativen geht, muss ermittelt werden, welche Hebel das Unternehmen hat, um Werte zu schaffen, und wie die Nachhaltigkeit zu einem Multiplikator für den geschaffenen Wert werden kann. In diesem Sinne ist Nachhaltigkeit eine Strategie und keine bloße Aktion. Es gibt jedoch Makrothemen, bei denen die Institutionen, die Regulierungsbehörden, die Finanzwelt und ganz allgemein die öffentliche Meinung heute besonders sensibel sind: Klimawandel (und die damit verbundene Energiefrage), Achtung der Menschenrechte entlang der Lieferkette, Schutz der biologischen Vielfalt. In diesem Zusammenhang ist es ein guter Ausgangspunkt, zu analysieren und zu erklären, was es bedeutet, im eigenen Unternehmenskontext mit einem klaren Verständnis des Beitrags, den man beim Management der direkten und indirekten Auswirkungen auf diese drei Hauptaspekte leisten kann, zu arbeiten.

Ist die Investition in Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll?
Der einzige Fall, in dem man meinen könnte, dass es keinen Sinn macht, abgesehen von Fragen des persönlichen Gewissens und der moralischen Ordnung, ist die kurzfristige Sichtweise von Unternehmen, die ihre Ergebnisse maximieren und das Unternehmen schließen wollen. In jeder anderen Situation können zukunftsorientierte Akteure dies nicht tun, ohne die digitale Transformation und die Integration der Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie als notwendig zu betrachten. Mit dem Ziel, ein „ausgewogenes Management des Unternehmens zu erreichen, um eine erfolgreiche Zukunft zu gewährleisten und die Auswirkungen zu verstehen und zu optimieren, die das Unternehmen und das Ökosystem, zu dem es gehört, erzeugen.“  

Betrachtet man schließlich die regulatorischen Entwicklungen, so wird deutlich, dass Nachhaltigkeitsfaktoren eine derartige Wichtigkeit erreichen, dass eine klare Definition von „nachhaltigem Wirtschaften“ notwendig geworden ist. Zu diesem Zweck hat die Europäische Kommission die „EU-Taxonomie-Verordnung für nachhaltige Finanzen“ und die neue CSRD-Richtlinie veröffentlicht, um sicherzustellen, dass Unternehmen angemessene Informationen über Risiken, Chancen und Nachhaltigkeitsergebnisse veröffentlichen. Sie setzt neue Standards für die ESG-Berichterstattung und erweitert die Berichtspflicht ab 2025 auf rund 4.000 Unternehmen in Italien.

Kurzbiografie

Dr. Paolo Bersani, Partner PwC Italia, ein Unternehmen, das auch in Südtirol im NOI Techpark vertreten ist, versteht Nachhaltigkeit als eine Art der Unternehmensführung entlang der gesamten Wertschöpfungskette: Strategie, Governance, Organisation, Auswirkungen, Managementsysteme, Prozesse und Kontrollsysteme, Management und externe Berichterstattung sind die Bereiche, mit denen er sich seit über 25 Jahren beschäftigt. Er ist Leiter der ESG-Berichterstattung in Italien und Teil des ESG-Teams mit über 150 Fachleuten.

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