Handelskammer Bozen
Wirtschaft = Zukunft
fotovoltaici sui tetti

Dezentral und demokratisch

Ein Weg in die Energieunabhängigkeit

Auch das ist eine „Energiewende“: Demokratisch gelenkte Zusammenschlüsse von Bürgerinnen und Bürgern oder von mehreren Unternehmen bieten heute die Möglichkeit, nachhaltige Energiekonzepte vor Ort selbst zu entwickeln. Dieser „dezentrale“ Weg, der gemäß dem Subsidiaritätsprinzip eine Vielzahl von Akteuren zulässt und deren Ressourcen zusammenführt, liegt in Europa schon lange im Trend. Ein wichtiges Instrument dieses kollektiven Eigenverbrauchs sind die Energiegemeinschaften – freie Vereinigungen von Haushalten und Betrieben, die erneuerbare Energie gemeinsam erzeugen und verbrauchen.

Energiegemeinschaften verringern die Abhängigkeit von teuren fossilen Brennstoffen und haben durch die staatliche Förderung Kostenvorteile. Das Prinzip ist einfach: Die Mitglieder einer Energiegemeinschaft beziehen erneuerbare Energie von anderen Mitgliedern, die über Produktionsanlagen verfügen oder stellen den von ihnen erzeugten Strom zu Marktpreisen zur Verfügung. Der Austausch zwischen den Mitgliedern einer Energiegemeinschaft erfolgt ausschließlich virtuell – im Alltag ändert sich für die Mitglieder der Energiegemeinschaft also gar nichts. Das bedeutet: Jedes Mitglied der Energiegemeinschaft verbraucht weiterhin die Energie aus dem öffentlichen Stromnetz, der jeweilige Energieversorger stellt weiterhin die Stromrechnung aus und natürlich ist es jederzeit möglich, den Stromlieferanten zu wechseln. 

Für die gemeinsam produzierte Energie, die von den Mitgliedern einer Energiegemeinschaft selbst genutzt wird, sieht das – von der EU derzeit noch nicht freigegebene (Stand 30.05.2023) – Förderdekret des Ministeriums für Umwelt und Energiesicherheit einen Fördertarif vor. Investitionen von Energiegemeinschaften für die Erzeugung „grüner“ Energie sollen mit Kapitalbeiträgen aus den Fonds des Plans für Aufbau und Resilienz (PNRR) subventioniert werden. Allerdings ist diese Beitragsvergabe – leider – nur in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern möglich. 

Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung einer Energiegemeinschaft ist – neben einer ausführlichen technischen Projektstudie – die Kalkulation von Kosten und Erträgen. Ein Beispiel: Die Marktgemeinde Lana mit mehr als 12.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und der Südtiroler Energieverband planen derzeit die Realisierung einer Energiegemeinschaft. Der erste Schritt zur Aktivierung dieser Energiegemeinschaft wird die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern von Gebäuden im Besitz der Gemeinde und die Nutzung des dort erzeugten Sonnenstroms in privaten Haushalten und in Unternehmen aus Lana sein. 23 öffentliche Immobilien sind laut einer vom Energiedienstleister Energytech durchgeführten technischen Analyse dafür geeignet und könnten pro Jahr zusammen mit bereits bestehenden Anlagen etwa 3.200.000 Kilowattstunden (kWh) elektrische Energie produzieren. Ein vom Beratungsunternehmen REVI Consult erstellter Businessplan berechnete die Wertschöpfung der jährlichen Stromerzeugung abzüglich der anfallenden Führungs- und Verwaltungskosten.

Bei diesem Projekt geht es weniger um finanzielle Vorteile als vielmehr um Energieautonomie, Nachhaltigkeit, Klimaschutz durch den Ausbau erneuerbarer Energien, die Stärkung der Gemeinschaft und Innovationen in lokalen Wirtschaftskreisläufen. Zudem könnte in Lana eine handlungsfähige Community entstehen, die sich in Zukunft auch in der lokalen Wasserkraft – etwa bei der Konzessionsvergabe für Wasserkraftwerke – engagieren könnte. Wichtig ist: Eine Energiegemeinschaft gibt den Menschen die Möglichkeit, gemeinsam unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden und diesen Wandlungsprozess selbst zu kontrollieren. 

Der Südtiroler Energieverband - SEV unterstützt die Realisierung von Energiegemeinschaften und anderen gesetzlich vorgesehenen Formen des Eigenverbrauchs durch Machbarkeitsstudien, Durchführungsanalysen, die Erstellung eines Statuts und die formale Gründung, die Installation und Verwaltung der Anlagen sowie die Anmeldung und – natürlich – die Förderung.

Info

Asko Rienzner

Asko Rienzner ist Mitglied der Geschäftsleitung im Südtiroler Energieverband und Experte für Energiegemeinschaften.

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